Unsere Philosophie im Umgang mit den Pferden

In den letzten Tagen hatte ich einige Gespräche mit Freizeitreitern und Sportreitern. Immer wieder ist es interessant, die unterschiedlichen Ansätze der Pferdehaltung zu diskutieren und noch spannender ist der Gesprächsverlauf. Irgendwie kommt dann oft Punkt, an dem ich gern aussteige aus dem Gespräch, da sich eine -ich muss mich für meine Ansätze rechtfertigen- Stimmung für alle Beteiligten einstellt.

An dieser Stelle möchte ich gern unsere Philosophie im Umgang mit unseren Pferden bzw. unsere Einstellung zu ihnen vorstellen. Unser Ansatz ist eher ein Ansatz im Umgang, der sich im Horsemanship am ehesten wiederfindet. Und doch ist es ein ganz eigener…

Wir hören dem Pferd zu

Wir hören dem Pferd zu und geben ihm Raum für seine Bedürfnisse, auch in der Arbeit! Jedes unserer Pferde wird in seiner Persönlichkeit vollständig gefördert und wir behalten die UR- Instinkte der Pferde aufrecht. Alle Instinkte sind vollständig ausgeprägt, da sie ein wertvoller Part in der Spiegelarbeit sind. Unsere Pferde erfahren keine Dressur im üblichen Sinne, sie erfahren eine tiefe Vertrauensarbeit mit dem Menschen. Das macht sie so sicher in der Therapie und im Coaching.

Wir respektieren die Grenzen

Wir respektieren und akzeptieren die Grenzen, die uns ein Pferd aufzeigt! In der Reiterwelt heißt es in der Regel, wenn sich ein Pferd daneben benimmt, musst Du Dich ganz klar durchsetzen und erst aufhören, wenn Du gewonnen hast. Beim Reiten ist dies vielleicht notwendig – doch wenn ich es brauche, dass ein Pferd respektvoll die Grenzen des Menschen einhält, dann sollte ich auch seine Grenzen respektieren. Diese können täglich variieren. Ich verfolge den Ansatz, dass das Pferd von Natur aus Freude daran hat, mit dem Menschen in die Kommunikation und in die Arbeit zu gehen, ohne dass es bockige oder böswillige Ansätze verfolgt. Es ist natürlich ganz klar meine Aufgabe, die ranghöchste Position in der Herde einzunehmen. Das geschieht bei mir ohne viel Druck. Wenn ein Pferd die “Hand” gegen mich andeutet, dann darf ich das gewiss nicht durchgehen lassen, aber ich schaue genau hin, warum es dies tut. Ist es wirklich nur frech? Übertrete ich eine Grenze, die das Pferd für sein Wohlgefühl dringend braucht? Oder ist es für das Pferd die einzige Möglichkeit anzuzeigen, dass es körperlich/geistig nicht die Aufgabe bewältigen kann, die jetzt gerade abgefordert wird? Oder spiegelt es ein Thema, das mich betrifft? Ist es vielleicht überfordert? Welchen Wohlfühlraum braucht es?
Mit diesem Ansatz habe ich noch NIE eine schlechte Erfahrung gemacht und meine Pferde danken es mir jeden Tag. Gerade bei Pferden, die mit traumatisierten Menschen arbeiten oder mit Menschen arbeiten, die in Ängsten gefangen sind, ist es in meinen Augen von großer Bedeutung, dass die Pferde genau diese Grenzsicherheit erfahren. Dadurch können sie gezielt an der Grenzsicherheit des Menschen arbeiten, indem es die klaren Grenzen respektieren und sanft herausarbeiten und würdevoll mit ihnen umgeht.

Die Natur des Pferdes

Nicht wir bestimmen die Natur des Pferdes sondern das Pferd gibt seine Natur vor! Warum? In meinen Augen ist es wichtig, alles aus dem Blickwinkel des Pferdes zu betrachten und die menschlichen Komponenten in diesen einzufügen. Pferde haben andere Bedürfnisse als wir, sie nehmen unsere Umwelt anders wahr als wir, sie haben ein anderes Körpergefühl als wir und auch ganz andere Verhaltensmuster. Wir versuchen so wenig wie möglich menschliche Züge als Maß der Dinge zu nehmen und sind bestrebt, alles (im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Vorstellungsmöglichkeiten) aus den Augen der Pferde zu betrachten, Wir nehmen uns sehr viel Zeit für die Beobachtung und Wahrnehmung der Pferde. Das Ergebnis daraus ist, dass die Pferde uns als feste Herdenmitglieder integriert haben und auch versuchen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf uns Menschen einzugehen. Wir erarbeiten unser Vertrauen jeden Tag aufs Neue, wie auch unsere Leittierposition. Liebevoll konsequent, klar und doch sehr verständnisvoll. Es geht nicht darum, dass wir Menschen dem Pferd gegenüber immer recht behalten. Denn wer eine Herde genau beobachtet, wird feststellen, dass auch innerhalb der Herde die Mitglieder nicht um jeden Preis ihren Platz verteidigen. Wer sich nicht wohlfühlt, bekommt seine Rechte, damit er wieder ins Wohlgefühl kommt. Und welcher Ansatz steckt dahinter? Ein Pferd, das weiß und erfährt, dass sein Wohlgefühl wichtig ist, wird auch dafür Sorge tragen, dass der Mensch sein Wohlgefühl zurück gewinnt.

Wir trennen unsere Tiere nie aus der Herde

Wir trennen unsere Herden nie in Einzeltiere auf! Dieser Ansatz ist in der Pferdewelt sehr umstritten, doch in unserer konzeptionellen Arbeit unabdingbar. Der stabile Herdenverband ist die Natur des Pferdes. So können intensive systemische Spiegelbilder entstehen, die auch einen guten Einblick in das Umfeld des Gastes geben. Er bekommt so die Möglichkeit, die Beobachterrolle einzunehmen und seine Blickwinkel neu auszurichten. Auch gibt die Herde Sicherheit und sie wird durch dieses feste Band als Spiegelbild gern von den Pferden mit einbezogen. Wir staunen jedes Mal aufs Neue, welche interessanten Aspekte sich schon auf diesem Wege gezeigt haben!

Unsere Pferde sind unsere Mitarbeiter

Unsere Pferde sind wertvolle Mitarbeiter und erhalten auch diesen Status! Wir sehen in unseren Pferden Persönlichkeiten, die durch ihre Eigenschaften einen wertvollen Beitrag zur therapeutischen Arbeit und auch in unseren Coachings leisten. Wir halten sie auch im System, wenn sie mal nicht oder auch nicht mehr arbeiten können. Sie sind nicht einfach nur “Vieh”, das funktionieren muss. Daher schauen wir auch schon präventiv auf die Gesundheit der Pferde, damit sie sich wohl fühlen. Wir arbeiten mit Pferden, die im Reitsport nicht mehr einsatzfähig sind, aus unterschiedlichen Gründen. So hat jedes Pferd die Aufgabe gefunden, in der es noch viel bewegen kann, ohne eine Last auf dem Rücken tragen zu müssen.